- Artikel-Nr.: SW542
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Produktinformationen "Depountis, Iason : Systema Naturae"
Vom Dichter geleitet zum Zirkus Licht Von Paul L. Walser FOBS ist ein System ballistischer Interkontinentalraketen Diese zwei Zeilen sind zwei Verse. Sie bilden den Anfang eines Gedichts. Man findet sie in einer Sammlung ungewöhnlicher lyrischer Gebilde; sie trägt den magischen Namen «Systema Naturae» und ist jetzt in der griechischen Originalfassung samt deutscher Übertragung erschienen. Der Autor heisst Iason Depountis, er ist einer der bedeutendsten Lyriker des heutigen Griechenland. Der Übersetzer ist sein Sohn Dimitris Depountis. Ursprünglich illegal Das Ganze ist der Kern eines Lebenswerks, das nicht eitelkeitshalber oder aus Bildungsdünkel, sondern aus Ehrlichkeit schwer zugänglich ist und sich um keinerlei poetischen Populismus, um keine Trendansprüche kümmert. Es ist der gewaltige Versuch, der Herausforderung unserer Zivilisation und der sogenannten Globalisierung nahezukommen, die Wurzeln und Zusammenhänge zu ergründen und die Gefahr der totalen und totalitären Zerstörung zu erforschen. Mit den Mitteln ungebrochener Neugier und eines unerschütterlichen Glaubens an eine radikale Lyrik jenseits aller Verbindlichkeit. Eine erste Sammlung «Systema Naturae» wurde 1969 illegal gedruckt als Widerstandsakt gegen die faschistischen Obristen, die in Athen regierten. Damals ging Iason Depountis ins Exil. Er kam in die Schweiz und leitete dreizehn Jahre lang das Griechische Haus im Pestalozzidorf Trogen. Während dieser Zeit sass er oft in der ETH und hörte Mathematikvorlesungen. Sein «Systema Naturae» wuchs weiter. Seit je ist der Dichter von den Wörtern, der Sprache, insbesondere der Lyrik, aber auch von den Naturwissenschaften gepackt. Die Errungenschaften der Kybernetik und der modernen Technologie auf militärischem und zivilem Gleis hat er so genau studiert, dass er, wie er es ausdrückt, «der Schöpfung einer neuen Natur» auf die Schliche gekommen ist. Diese Zukunftsaussicht ist alles andere als vertrauenerweckend, bringt sie letztlich doch nichts anderes als die vollkommene Vernichtung all dessen, was wir bisher als Leben betrachtet haben. «Mein Weltall ist die Dichtung der Griechen», sagt der 87-jährige Depountis, der aus Korfu stammt, in seiner Wohnung im Athener Vorort Maroussi. Er spricht sehr leise, ruhig, anders als die Leute ringsum, und er verkörpert eine ungewöhnlich solide Zerbrechlichkeit. Immer wieder überrascht mich sein Schalk. Depountis ist stolz darauf, dass es ihm gelungen ist, dem Rampenlicht aus dem Weg zu gehen, und dass ihn die meisten Literaturkritiker seines Landes «nur vom Foto her» kennen. Das Vermächtnis aus Antike, Renaissance und Neuzeit bildet die Basis, auf der er die neuesten Erkenntnisse verwertet, um das Heute zu erkunden und das Morgen zu beschwören. Komplizierte mathematische und physikalische Formeln sowie Abkürzungen aus mo-dernster Kriegführung finden Eingang in seine Gedichte, als handle es sich um das Normalste der Welt. «Spezielle Computerprogramme» heisst eines der Gedichte, «Im Quantenwald» ein anderes, das als Ergänzung die «Ablenkung von Sternenlicht» in einer Skizze zeigt. «Ich habe kein Programm», sagt Iason Depountis, «ich arbeite ganz spontan», doch hinter seiner sehr exakten dichterischen Arbeit steckt ein ungeheures Wissen, das er von seinem Leben nicht abtrennen kann. Dem Vater nahegekommen Es grenzt an ein Wunder, dass es Dimitris Depountis gelungen ist, diese höchst anspruchsvollen Gedichte in die deutsche Sprache umzusetzen, zumal er sich auch im kleinsten Detail an die griechische Vorlage hielt. Fast zehn Jahre hat der studierte Germanist, der in Zürich lebt, für die Übersetzung gebraucht. Einerseits hat er sich damit von seinem Vater abgelöst, wie er heute sagt, anderseits ist er ihm so nahegekommen wie noch nie. Der elegante, schmale Band ist wegen der zwei Alphabete und der zahlreichen wissenschaftlichen Kürzel und Zeichen auch typografisch eine Sonderleistung. Wer sich in das Werk der beiden Depountis vertieft - und dafür braucht es sehr viel Zeit und Anstrengung - wird «vom Dichter geleitet zum Zirkus Licht», wie es im Gedicht «Die Ankunft der Dichtung» heisst. WOZ vom 21.12.2006
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